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Ist UV bei der Vogelhaltung wichtig?
C. Mettke-Hofmann & G. Hofmann
Viele Vögel finden ohne zu zögern den kleinen Spalt beim gekippten Fenster, der in die Freiheit führt. Manche Arten sind leichter oder fast nur in Freivolieren züchtbar, nicht aber in Innernräumen. Blühende oder früchtetragende Bäume ziehen Vögel schon aus großer Entfernung an, auch wenn für uns noch keinerlei Blüten oder Früchte auf diese Distanz sichtbar sind. Drei Phänomene, die scheinbar nichts miteinander zu tun haben. Aber eben nur scheinbar wie der folgende Artikel zeigen soll.
UV-Sehen bei Vögeln
Vögel sind sogenannte "Augentiere", d.h., sie nehmen Informationen aus der Umwelt primär visuell auf. Der Geruchs- oder Tastsinn spielt bei ihnen meist nur eine untergeordnete Rolle. Vögel sehen wie wir die Welt farbig. Sogar farbiger als wir, da die meisten tagaktiven Vögel im Gegensatz zum Menschen auch im ultravioletten Bereich (UV) sehen können.
Licht setzt sich aus verschiedenen Wellenlängen zusammen, die alle zusammengenommen weiß ergeben. Fehlen Wellenlängen, durch unterschiedliche Absorption oder Reflexion von Oberflächen, entstehen Farbeindrücke. Das menschliche Auge kann Farben mit Sinneszellen (Zapfen) wahrnehmen, die in unterschiedlichen Wellenlängenbereichen besonders empfindlich sind. Der Mensch besitzt drei Zapfensorten, eine für Rot (im Bereich von 565-620 nm (Nanometer) empfindlich), eine für Grün (510-540nm) und eine für Blau (450-480nm). Mit Hilfe dieser drei Zapfensorten kann er eine breite Palette von Mischfarben im Bereich von 400-700nm wahrnehmen. Da unser Farbensehen auf drei Grundfarben (Rot, Grün, Blau) zurückgeht, nennt man das trichromatisches Farbensehen. Auch Vögel besitzen diese drei Zapfensorten. Darüberhinaus haben viele tagaktive Vögel aber eine weitere Zapfensorte im UV-Bereich (320-420nm) und zusätzlich eine UV-durchlässige Hornhaut (Cornea) und Linse. Vögel haben demnach vier Grundfarben, aus denen sie ihre Farbpalette zusammensetzen (tetrachromatisches Sehen) und somit ein viel vielfältigeres Spektrum an Mischfarben, noch dazu über einen größeren spektralen Bereich (320-700nm) als der Mensch. Flächen, die für uns z.B. einheitlich schwarz oder weiß erscheinen, können für Vögel durch den erweiterten sichtbaren Bereich bis ins UV hinein aus zahlreichen weiteren Farbeindrücken bestehen (Burkhardt 1989, Burkhardt & Finger 1991).
Nicht alle Vögel können im UV-Bereich sehen. Nachtaktive Vögel wie der Waldkauz oder sehr ursprüngliche Vogelarten (Paläognathen) wie Strauß, Emu, Nandu und Steißhuhn haben keine UV-Zellen. Bei den großen Vogelarten wird vermutet, daß durch die großen Augen chromatische Aberrationen auftreten würden (wie bei langen Teleobjektiven), so daß die Vögel nicht mehr scharf sehen könnten (Bezzel & Prinzinger 1990).
Einige Vogelarten haben einen modifizierten UV-Rezeptor, der nur einen Teilbereich des UV-Spektrums anderen Vögel abdeckt. Er wird als Violett-Rezeptor bezeichnet, da er in diesem Bereich seine höchste Sensitivität besitzt (420nm). Dieser Typ ist z.B. bei Stockenten und Pinguinen nachgewiesen und könnte als eine Anpassung an die halbaquatische Lebensweise dieser Tiere gesehen werden (Maier 1994). Im Wasser werden verschiedene Wellenlängen sehr schnell absorbiert, so daß nur wenig farbiges Licht in tiefere Wasserschichten vordringt. Auch UV-Licht dringt nicht sehr tief ein, d.h., unter Wasser benötigen Vögel keine UV-Rezeptoren. Wohl aber kommen Blautöne in den oberen Wasserschichten verstärkt vor. Das Vorhandensein von zwei Rezeptoren in diesem Bereich, einem blauempfindlichen (max. Empfindlichkeit bei 460nm) und einem violettempfindlichen (max. Empfindlichkeit bei 420nm), könnte für tauchende Vögel von Vorteil sein. Auf jeden Fall ähnelt die spektrale Empfindlichkeit der Rezeptoren dieser daraufhin untersuchten Arten der von Fischen (Crescitelli et al. 1985).
Bedeutung des UV-Sehens für Vögel
Welche Vorteile haben Vögel, wenn sie UV-Licht sehen können? Welche zusätzlichen Möglichkeiten ergeben sich im Vergleich zu Lebewesen, die kein UV wahrnehmen? Ein Vorteil z.B. dem Menschen gegenüber ist, daß sie vermutlich durch das UV den kleinen Spalt des gekippten Fensters sehen und durch diesen entwischen. Glas läßt kein UV durch. Vögel, die von innen nach außen gucken, sollten daher die hinter dem Fenster befindliche Landschaft durch die Scheibe anders sehen (nämlich ohne UV) als durch den offenen Spalt.
Da Vögel aber nicht erst in Räumen das UV-Sehen entwickelt haben, sollte es noch weitere, mehr mit der natürlichen Umwelt des Vogels verbundene, Vorteile geben.
Der Einsatzbereich des UV-Sehens umfaßt alle Bereiche, in denen Farben eine Rolle spielen.
Im allgemeinen versucht ein Vogel, möglichst wenig aufzufallen und mit der Umgebung zu verschmelzen. Eine Ausnahme istdie Balz, bei der der Vogel sich präsentiert und Stellen aufsucht, an denen er gut zur Geltung kommt (z.B. Sitzwarten, offene Flächen). Vögel nutzen dabei auch eine Kontrastverstärkung im UV-Bereich. Zum Beispiel hebt sich die UV-reflektierende blaue Kopfplatte von Blaumeisen sehr gut gegen einen braunen oder grünen, nicht UV-reflektierenden Hintergrund, ab (Andersson et al. 1998), vor denen Blaumeisen bevorzugt balzen. Ferner balzen Blaumeisen oft am Morgen, wenn durch das bläuliche frühe Morgenlicht die UV-Reflexion verstärkt wird.
Eine Kontrastverstärkung ist auch wichtig bei der Feinderkennung. Greifvögel heben sich gegen den Himmel im UV-Bereich auch bei einer weißen Unterseite des Vogels stark ab.
Auch bei der Orientierung im Gelände (z.B. Heimfinden aus größerer Entfernung zum Nest nach der Nahrungssuche oder bei Zugvögeln während des Zuges) kann UV eine Rolle spielen. Vögel können sich am Polarisationsmuster des Lichts orientieren (Helbig & Wiltschko 1989, Helbig 1990). Da UV-Licht stärker polarisiert ist als das für uns sichtbare Licht, wird die Orientierung mit Hilfe von UV-Rezeptoren zumindest erleichtert.
Von insektenbesuchten Blüten ist bekannt, daß sie sogenannte Blütenmale besitzen, die im UV-Bereich reflektieren und somit Insekten anlocken (Daumer 1958). Auch viele Früchte reflektieren UV. Zum Beispiel haben reife Weintrauben einen wachsartigen, weißlichen Überzug, der stark UV reflektiert und sehr stark zum nicht UV-reflektierenden Blattwerk kontrastiert (Burkhardt 1982). Die Trauben springen UV-sensitiven Vögeln somit geradezu ins Auge, selbst aus großer Entfernung. In großen Scharen einfallende Stare sind sicherlich jedem bekannt und Weintrinkern ein Dorn im Auge. Aber nicht nur Früchte reflektieren UV. Greifvögel richten z.B. ihr Augenmerk auf Bereiche, in denen viele Geruchsmarken von Nagetieren wie Wühl- und Feldmäusen in den Laufpfaden vorhanden sind. Die Greife erkennen diese Stellen durch die UV-Reflexion des Kots (Viitala et al. 1995). In anderen Wellenlängenbereichen sind die Wegemarkierungen der Mäuse nicht sichtbar.
Ferner kann das UV-Sehen beim Auffinden von Wasserstellen enorm wichtig sein, da Wasseroberflächen sehr stark UV reflektieren.
- d) Geschlechter- und Arterkennung
Ein weiterer sehr interessanter Bereich ist der soziale, bei dem UV als Signal eingesetzt wird. So wie bei vielen Arten Männchen und Weibchen im für uns sichtbaren Bereich unterschiedlich gefärbt sind, sind sie es auch oder zum Teil nur im UV-Bereich. Die Geschlechter von Dreifarbigen Papageiamadinen können wir mehr oder weniger gut unterscheiden. Jeder, der diese Art gezüchtet hat, wird sich allerdings in dem einen oder anderen Fall im Geschlecht der Jungen schon mal geirrt haben. Betrachten wir diese Art im UV (auf Fotografien, die mit UV-Objektiven aufgenommen wurden), ist keine Verwechslung mehr möglich. Die Männchen besitzen eine extrem stark UV-reflektierende Kopfkappe, während die der Weibchen kaum UV reflektiert. Ebenso sind die Geschlechter bei Perlhalsamadinen im UV leichter zu erkennen (Hofmann & Mettke-Hofmann, im Druck). Bei Blaumeisen reflektiert die blaue Kopfplatte der Männchen mehr UV als bei den Weibchen (Andersson et al. 1998). Gerade diese Gefiederpartie wird bei der Balz besonders gesträubt und somit gezielt zur Geltung gebracht. Andersson et al. (1998) konnten auch zeigen, daß Männchen, die viel UV-Reflexion in diesem Bereich besitzen, von Weibchen gegenüber weniger UV-„gefärbten“ Männchen bevorzugt wurden. Auch bei Chinesischen Nachtigallen (Leiothrix lutea) präferieren Weibchen UV-reflektierende Männchen vor manipulierten nicht UV-reflektierenden Männchen (Maier 1993).
Könnten die schlechten Zuchterfolge von Olivgrünen Astrilden in Innenräumen auf fehlendes UV (das durch die Fensterscheiben abgehalten wird) zurückgeführt werden? Sind bestimmte Brutbereitschaft anzeigende Gefieder- oder Hautpartien nur im UV zu erkennen? Das würde erklären, warum die Zucht dieser Art in Außenvolieren, unter natürlichen Lichtbedingungen (mit UV) weit besser gelingt. Fest steht, daß sich die Geschlechter auch Olivgrüner Astrilde in der UV-Reflexion unterscheiden.
Andere Arten zeigen einen ausgeprägten Geschlechtsdimorphismus sowohl im für uns sichtbaren als auch im UV-Bereich. Dazu gehören Samtkopfgrasmücken, Schwarzkehlchen oder Schmetterlingsfinken. Auch Gouldamadinen unterscheiden sich im UV. Das Brustschild des Männchens reflektiert mehr UV als das des Weibchens und ist auch klarer zur Bauchpartie abgesetzt. Interessanterweise treten keinerlei Unterschiede in der UV-Reflexion zwischen den verschiedenen Kopffarben auf. Egal ob schwarz-, rot- oder gelbköpfig, in keinem Fall wird UV reflektiert.
Es soll noch erwähnt werden, daß UV nicht nur der Geschlechtererkennung dient, sondern natürlich auch bei nahverwandten Arten als Arterkennungs- und
Unterscheidungsmerkmal eingesetzt werden kann.
Was bleibt zu tun?
Wie gezeigt, spielt UV im Leben eines Vogels eine wichtige Rolle. Allerdings ist es nicht so, daß das Sehen im UV-Bereich wichtiger wäre als in anderen Wellenlängenbereichen. Der UV-Bereich gehört aber zum natürlichen Sehspektrum des Vogels dazu und wird daher auch von ihm genutzt. Zum Teil werden dadurch bereits in anderen Wellenlängen bestehende Unterschiede verstärkt (z.B. bei Arten, die sowohl im für uns sichtbaren als auch im UV-Bereich dimorph sind), zum Teil können die Vögel nur über das UV Unterschiede erkennen (Geruchsmarkierung der Mäuse, Olivgrüner Astrild?). Da Partnerwahl und Zucht aber im Allgemeinen gut in Innenräumen ohne UV klappen, dürfte dieser Aspekt für Züchter eher von geringerer Bedeutung sein. Allerdings hat UV auch ganz handfeste Vorteile. Es ist schon seit langem bekannt, daß UV viele Keime abtötet. So kann der Anteil an Bakterien und Salmonellen in der Luft durch UV-Strahlung auf etwa 75-99% der Konzentration ohne UV-Licht reduziert werden (Bailey et al. 1996). Gerade Gebirgsbewohner wie verschiedene südamerikanische Zeisige oder viele Loris, die in ihrem natürlichen Lebensraum nur einer geringen Keimbelastung ausgesetzt sind, profitieren davon, aber natürlich nützt eine niedrige Keimzahl auch allen anderen Vögeln. Die zusätzliche Verwendung einer UV-Lampe (z.B. Osram Ultra Vitalux) für nur etwa 30 Minuten pro Tag führt bereits zu einem deutlich besseren Gesundheitszustand der Vögel. Die Lampe sollte außerhalb der Voliere/ des Käfigs in einiger Entfernung angebracht sein, so daß die Vögel dem Licht auch ausweichen können. Normalerweise gehen alle Vögel aber regelrecht „UV-baden“.
UV spielt auch eine Rolle bei der Synthese des Vitamins D3, das zur Knochenbildung beiträgt. D3-Mangel verursacht Rachitis, weiche Schnäbel und Krallen und dünnere Eischalen. D3 wird über die Nahrung aufgenommen oder kann mit UV aus Ergosterin oder Cholesterine zu einem geringen Teil auch selbst gebildet werden (Gylstorff & Grimm 1987, Bezzel & Prinzinger 1990). Eine Verabreichung nur über das Futter kann leicht zu Über- oder Unterdosierungen führen. Hat der Vogel hingegen zusätzlich die Möglichkeit mit Hilfe von UV D3 selber zu bilden, treten solche Probleme nicht so leicht auf. Leider sind selbst die besten Leuchtsoffröhren nicht in der Lage so viel UV-zu produzieren auch hier muß eine Speziallampe diese Aufgabe übernehmen.
Eine weitere Bemerkung sei noch erlaubt. Auch wenn die Zucht ohne UV-Licht im großen und ganzen funktioniert, nehmen wir unseren Vögeln einen gehörigen Teil Lebensqualität, wenn wir ihnen diese Wellenlängen vorenthalten. Man stelle sich einen Raum vor, der mit einer Lampe erleuchtet ist, die nur rote und blaue, aber keine grünen Anteile des Lichts enthält. Der ganze Raum erscheint somit purpur-bläulich. Ein eigentliches Farbensehen ist nicht mehr möglich, da alles einen Farbstich bekommt. Unterschiedlich gefärbte Bereiche sind nur noch daran zu unterscheiden, daß sie die Raumfarbe unterschiedlich absorbieren und reflektieren. Haare werden daher z.B. dunkler wiedergegeben als die Haut. Genau in solch einer Umwelt halten wir unsere Vögel, wenn wir ihnen UV vorenthalten. Der ganze Raum mit all seinen Strukturen und Mitbewohnern hat einen Farbstich. Es ist erstaunlich, daß die Vögel unter diesen Umständen überhaupt in der Lage sind, den entsprechenden Geschlechtspartner der richtigen Art zu finden.
Als Fazit ist festzuhalten, UV ist ein wichtiger Bestandteil beim Vogelsehen. Der Einsatz von UV-Lampen in der Vogelhaltung ist sicherlich nicht lebensnotwendig, birgt aber auch keine Nachteile, sondern bringt eher Vorteile und verbessert die Lebensqualität unserer Pfleglinge.
Anmerkung
Die UV-Aufnahmen wurden mit einem UV-Nikkor-Objektiv 105/4,0 der Firma Nikon aufgenommen unter Verwendung eines SB 140- und eines weiteren UV-Blitzes sowie eines Schwarzfilters.
Danksagung
Wir möchten Prof. Dr. E. Gwinner für die Übernahme eines Teils der Photo-Kosten danken.
Literatur
Andersson, S., Ornborg, J. & Andersson, M. 1998. Ultraviolet sexual dimorphism and assortative mating in blue tits. Proceedings of the Royal Society of London - Series B: Biological Sciences 265, 445-450.
Bailey, J.S., Buhr, R.J., Cox, N.A. & Berrang, M.E. 1996. Effects of hatching cabinet sanitation treatments on Salmonella cross-contamination and hatchability of broiler eggs. Poultry Science 75 (2), 191-196.
Bezzel, E. & Prinzinger, R. 1990. Ornithologie. Verlag Eugen Ulmer, Stuttgart.
Burkhardt, D. 1982. Birds, berries, and UV. Naturwissenschaften 69, 153-157.
Burkhardt, D. 1989. UV vision: a bird's eye view of feathers. J. Comp. Physiol. A 164, 787-796.
Burkhardt, D. & Finger, E. 1991. Black, White, and UV: How birds see birds. Naturwissenschaften 78, 279-280.
Crescitelli, F., McFall-Ngai, M. & Horwitz, J. 1985. The visual pigment sensitivity hypothesis: further evidence from fish of varying habitats. J. Comp. Physiol. A 157, 323-333.
Daumer, K. 1958. Blumenfarben, wie sie die Bienen sehen. Z. f. vergleichende Physiologie 41, 49-110.
Gylstorff, I. & Grimm. F. 1987. Vogelkrankheiten. Verlag Eugen Ulmer, Stuttgart.
Helbig, A.J. 1990. Depolarization of natural skylight disrupts orientation of an avian nocturnal migrant. Experientia 46, 755-758.
Helbig, A.J. & Wiltschko, W. 1989. The skylight polarization patterns at dusk affect the orientation behaviour of Blackcaps, Sylvia atricapilla. Naturwissenschaften 76, 227-229.
Hofmann, G. & Mettke-Hofmann, C. 1999. Perlhalsamadinen in anderem Licht betrachtet (Odontospiza caniceps). Voliere (im Druck).
Maier, E.J. 1993. To deal with the "invisible". Naturwissenschaften 80, 476-478.
Maier, E.J. 1994. Das UV-Sehen der Vögel: Neue Ergebnisse über den spektralen Sehbereich. J. Orn. 135, 179-192.
Viitala, J., Korpimäkl, E., Palokangas, P. & Koivula, M. 1995. Attraction of kestrels to vole scent marks visible in ultraviolet light. Nature 373, 425-427.
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